Nicht alles Neue ist gut. Und was oft als „junge Literatur“ bezeichnet wird, kann in ein paar Jahren ziemlich alt und schäbig aussehen. Wir wagen diesen Schritt trotzdem und stellen drei junge Autorinnen und Autoren vor, die mit so erfrischendem Elan und Enthusiasmus, so realitätsnah oder auf so surreale und phantastische Weise auf Deutsch schreiben, dass wir in den nächsten Jahren sicher noch viel von ihnen hören werden.

Sasha Marianna Saltzman

Sasha Marianna Salzmann wurde 1985 in der damals sowjetischen Stadt Wolgograd geboren und hat sich vor allem als Dramatikerin einen Namen gemacht. Salzmann wanderte 1995 mit ihren Eltern nach Deutschland aus und studierte Literatur, Theaterwissenschaft und Szenisches Schreiben. Sie arbeitet als Redakteurin und Dramatikerin. Im Jahr 2016 schrieb die Zeitung Die Welt: „Das Maxim-Gorki-Theater ist das Theater des Jahres. Zu verdanken haben wir das unter anderem Sasha Marianne Salzmann, die mit dem Studio Ya die spannendste experimentelle Szene Deutschlands leitet.“

Sascha Marianne Salzmanns Debütroman Außer sich ist voll von autobiografischen Elementen. Die Protagonistin, die Ali heißt, ist als Mädchen aus Russland nach Berlin ausgewandert. Sie hat einen Zwillingsbruder, der verschwunden ist. Ihre Suche nach ihm führt sie nach Istanbul und gleichzeitig, in der Sprache der Erzählung, quer durch das 20. Jahrhundert und zurück in die Sowjetunion unter Stalin. Das Buch ist ein Panorama und vor allem eine Geschichte über verschiedene Stile. Es ist voll von Geschichten, die wild, wirklich gewalttätig und anarchisch sind. Es wurde für den Deutschen Buchpreis 2017 nominiert.

Robert Prossé

Robert Prosser ist ein Österreicher, der 1983 in Tirol geboren wurde. Er studiert Vergleichende Literaturwissenschaft, Kultur- und Sozialanthropologie und ist Mitbegründer der Innsbrucker Lesebühne. Seit vielen Jahren ist er mit seinen Werken an Performances beteiligt. Im August 2017 wurde sein Debütroman Phantom für den Deutschen Buchpreis nominiert, im Oktober 2017 wurde der Roman in die ORF-Bestsellerliste aufgenommen.

Robert Prosser ist ein kategorischer Realist. Keine Sprachspiele, keine Tricks. Vor allem keine selbstreferentiellen Fragen, ob Romane die Wirklichkeit wirklich verstehen können. Prosser wagt es, eine dunkle Seite der jüngsten Geschichte aufzuschlagen. Er erzählt die Geschichte der jungen Bosnierin Sara, die nach Bosnien und Herzegowina reist, um ihre Mutter zu finden und die Ereignisse rund um den jugoslawischen Bürgerkrieg in den frühen 1990er Jahren zu rekonstruieren. Der Roman ist bewusst kein Panorama, sondern erkundet, was der Krieg mit den Menschen macht, was Gewalt mit den Familien macht. Und wie Krieg und Gewalt, auch wenn sie längst überwunden zu sein scheinen, weiter wirken.

Maren Wurster

Maren Wurster wurde 1976 geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Germanistik und Philosophie an der Universität zu Köln. Im Jahr 2016 erhielt sie ihren MFA am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.

„Die Metamorphose der Heldin in Maren Wursters Debütroman Das Fell hat nichts mit Kafka zu tun!“, schrieb ein Rezensent fast flehentlich über Maren Wursters Roman. Und doch muss man natürlich die Autorin loben, die es wagt, eine Geschichte darüber zu schreiben, wie sich eine Frau allmählich verwandelt. Denn jeder wird sich sofort an den Prager Schriftsteller und an die Geschichte von Gregor Samsa erinnern. Die in Berlin lebende Viktoria lässt sich während einer Reise an die Ostseeküste, wo ihr Liebhaber mit seiner Familie die Sommerferien verbringt, ein Fell wachsen (auf Deutsch: „Das Fell“). Die Geschichte ist sehr realistisch erzählt, und der surrealistische und fantastische Ton dringt unbemerkt, fast durch die Hintertür, ein. Der Pelz als Symbol bleibt in dem Roman ein geheimnisvolles Vakuum, das mit Bedeutung gefüllt ist, ein Rätsel, das nicht gelöst werden kann.